Das innere Kind - was ist das eigentlich?

Oder auch: Wer bestimmt eigentlich mein aktuelles leben?


Es geht los! DADAzwischen meets Potpourri meets Ubuntu
Ok wow, jetzt geht es wirklich los!

Wer bestimmt mein aktuelles Leben? Die “vernünftige” Erwachsenenseite in mir?

Das verspielte Kind in mir? Das Kreative? Das Verletzte? ...

In jedem Fall: Mein inneres Kind. (bzw. innere Kinder)

 

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen inneren Kind schadet nie - denn hierbei geht es nicht um “kindliches” oder “unreifes” Verhalten, sondern um den Einfluss der Kindheit auf unser heutiges Selbst. Als Metapher bezeichnet das innere Kind die eigenen Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen, die in unserem Unterbewusstsein, aber auch unserem Körpergedächtnis schlummern und uns durch unser alltägliches Leben führen. Es prägt unsere Glaubenssätze über die Welt, vor allem aber über uns selbst.

 

Ganz unabhängig davon, ob diese Prägungen “positiver” oder “negativer” Natur sind - als Erwachsene*r verlieren wir oft die Verbindung zu unserem früheren Selbst, weil sich diese Erfahrungen nur schlecht oder gar nicht in Worte fassen lassen (weil sie zu einer Zeit geschehen sind, als wir noch gar keine Worte dafür kannten). Das aber ist der hauptsächliche Weg der Auseinandersetzung unseres Erwachsenen-Daseins mit unserer (Gefühls)Welt und Lebensrealität - sprachlich.

 

Besonders unverarbeitete oder schmerzhafte Erlebnisse (wie bspw. Hilflosigkeit, Zurückweisung, Liebesentzug, Verzweiflung, Ausgeliefertsein...) werden als Schutzmechanismus oft abgespalten und sind deshalb im erwachsenen Leben nicht direkt zugänglich. Zunächst schützt uns dieser Mechanismus vor Überforderung und sichert damit unser Überleben - die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass alte Verhaltensmuster und Strategien beibehalten werden, obwohl wir im Laufe unseres Lebens neue Fähigkeiten erwerben, um auf bestimmte Situationen reagieren zu können. Darüber hinaus werden nicht nur “negative” Anteile abgespalten, sondern auch der Zugang zu “positiven” Seiten frühkindlicher Prägung erschwert, wie bspw. Neugier, Freude, Leichtigkeit, Unverfälschtheit, Spontaneität und Lebenslust.

 

Du hast kaum Erinnerungen an Deine Kindheit? Das könnte die Folge eines Schutzmechanismus sein. Ein anderer Begriff für die Auseinandersetzung mit dem inneren, verletzten Kind ist Schattenarbeit. Diese ist wichtig, denn das innere, verletzte Kind verschwindet nicht einfach, sondern lebt und führt ganz unbewusst in jeder Situation unsere Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde. Indem wir die alten Überzeugungen und Wahrnehmungen behutsam infrage und auf den Prüfstand stellen, bekommen wir neue Möglichkeiten im Hier und Jetzt das eigene Leben zu verändern. Denn: Auch wenn die Gefühle noch so schmerzhaft und intensiv zu spüren sind: Sie werden dich nicht umbringen (auch wenn es sich als Kind so angefühlt hat).

Ich bin jetzt für Dich da.

Nachdem wir uns mit dem Gedanken angefreundet haben, dass es etwas gibt, das unser Leben (unbewusst) beeinflusst, nähern wir uns dem nächsten Schritt: Wir versuchen eine Verbindung zu unserem inneren Kind herzustellen und sein Dasein zu erforschen. Wer ist es und wie geht es ihm?

 

 

Achtung: Möglicherweise ist Dein inneres Kind recht sauer, weil es so wenig spielerischen Platz im Leben bekommt und Du mit seinen Bedürfnissen so umgehst, wie es Erwachsene früher mit Deinen getan haben, als Du Kind warst. Dabei soll das hier natürlich kein Vorwurf sein, sondern nur ein Hinweis. Du hast es ja selbst nicht anders gelernt gehabt.

 

Da Du aber gerade diesen Text hier liest und Dich demnach mit Deinem inneren Kind beschäftigen möchtest, wird es Dir sicherlich verzeihen. Vor allem wird es sehr stolz auf Dich sein, weil es Mut und Offenheit benötigt, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen, genauer hinzusehen und sich mit ihr zu versöhnen.

 

Indem wir uns unserem inneren Kind liebevoll zuwenden und behutsam eine Verbindung herstellen, fühlt es sich gesehen und muss schon gar nicht mehr so laut schreien. Wenn wir ihm nun zuhören und es ernst nehmen, können wir seine Bedürfnisse herausfinden und versuchen, diese zu erfüllen. Denn ein Kind, dessen Grundbedürfnisse (wie Liebe, Sicherheit, Geborgenheit, Nahrung...) nicht erfüllt werden, ist vor allem auch eins: Wütend auf sich selbst. Warum? Weil es die Schuld bei sich sucht. Im kindlichen Dasein sind Erwachsene fehlerfreie Vorbilder und Wegweiser, die unmöglich für so etwas verantwortlich sein können. Oft wird das durch den Umstand der Abhängigkeitsverhältnisse noch verstärkt - denn Kinder sind auf Erwachsene angewiesen. Hieraus können tiefe Gefühle der eigenen Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit entstehen, Schuld und Scham können sich ein- und ausprägen.

 

Im Prozess der Annäherung ist es deshalb von großer Bedeutung als 1. Schritt zu erkennen, dass Wut und Selbsthass hier Fehl am Platz sind - denn man hat nach bestem Wissen & Gewissen gehandelt. Wenn Du als Kind anders hättest handeln können, hättest du es mit Sicherheit getan.

 

Nun können wir aber ohnehin nicht ändern, was in der Vergangenheit passiert ist - wohl aber unseren Blick darauf. Wir können alte Gefühle und Ängste ausfindig machen, Zusammenhänge erkennen und insbesondere können (und sollten) wir versuchen diese Erfahrungen behutsam mit tiefem Selbstrespekt vorurteilslos anzunehmen. Das heißt nicht, dass wir es gutheißen müssen, was uns damals widerfahren ist. Es heißt, dass wir es akzeptieren und tolerieren lernen: Als etwas in der Vergangenheit liegendes, nicht mehr Veränderbares.

Alle Gefühle willkommen heißen.
Alle Gefühle willkommen heißen.

Mit der Bewusstwerdung der eigenen Geschichte können wir im Hier & Jetzt einen ganz neuen Standpunkt entwickeln und mit anderem Wissen und Fähigkeiten agieren. Wir können mit unserem heutigen, erwachsenen Dasein Dinge anders betrachten, realistischere, objektivere Einschätzungen abgeben und all dies vor allem nicht mehr aus einem Abhängigkeitsverhältnis heraus. Denn: Wir sind nicht unsere Eltern, wir sind eigenständige Menschen. Und wir dürfen wütende, enttäuschte und schmerzhafte Gefühle ihnen gegenüber haben, ohne sie weniger zu wertschätzen. Ja, das ist wirklich erlaubt und sogar gewünscht!

 

Uns selbst sollten wir auch mit mehr Geduld, Nachsicht und Verständnis gegenübertreten. Die Auseinandersetzung mit dem inneren Kind ist vor allem eins (neben anstrengend-sein): ein Prozess. Das bedeutet, dass ein Zugang zu frühkindlichen Gefühlen immer wieder stattfinden kann und wird. Es bedeutet auch, dass diese Entwicklung nicht linear verläuft, sondern von (wahrscheinlich sich frustrierend anfühlenden) “Rückschlägen” begleitet wird und von Gefühlen des Stillstands. Das alles gehört dazu. Du kannst jahrelange Prägung und antrainierte (Überlebens!)Strategien nicht einfach abschütteln.

Und auch wenn die Arbeit mit dem inneren Kind Großes verspricht, sollten wir die Erwartungen nicht zu hoch stecken und vor allem nichts überstürzen. Mit der Heilung verhält es sich wie mit Gras: Es wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht. ;)

 

Es ist auch gut möglich, dass Dein inneres Kind zu Beginn sehr misstrauisch und skeptisch wirkt, erstmal auf Abstand geht und massive Mauern um sich herum baut. Das ist ganz natürlich, denn das innere Kind ist es nicht gewohnt gesehen oder gehört zu werden. Wenn wir uns aber vorsichtig, fürsorglich und Stück für Stück herantasten, können wir sein Vertrauen gewinnen und so etwas wie eine Freundschaft aufbauen. Auch hierfür braucht es Zeit.

 

Und es gehört auch dazu, dass es Anteile und Momente geben wird, die Du gut und gern allein, auf deine eigene Weise bewältigen kannst. Es gehört aber auch dazu, dass es Anteile und Momente gibt, die zu überwältigend für Dich sind und deshalb mit professioneller Begleitung bearbeitet werden sollten. Gefühle können zu schmerzhaft werden und Dich überschwemmen - es ist völlig okay an diesem Punkt innezuhalten und zu einem anderen Zeitpunkt weiter zu machen. Das ist vollkommen natürlich und in Ordnung. Du bist in Ordnung.

 

Das wichtigste ist in Bewegung zu kommen und dran zu bleiben. Den Stein ins Rollen zu bringen und ihn immer wieder anzuschupsen. :)

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